Salzgeber und andere: Wird der Sachverständige zum Buhmann in familiengerichtlichen Verfahren? Compliance einmal anders.

In der Zeitschrift “ Praxis der Rechtspsychologie“ schreibt Herr Josef Salzgeber im November 2020 von den „aufkommenden Problemen“ der GutachterInnen im Familienrecht. Sie würden zunehmend (auch in den Medien) öffentliche Kritik erfahren, in Internet-Foren würden die Leistung und die Abrechnungsmethoden öffentlich analysiert, diskutiert und als schlecht und fragwürdig bezeichnet.

Die Betroffenen würden zunehmend Audio-/Videoaufzeichnung und die Offenlegung der Testverfahren und Auswertungen fordern. GutachterInnen würden physisch angegangen und bedroht. Sie müssten sich mit den Auszahlungsstellen (Bezirksrevisor) zunehmend um die Entschädigungen streiten, weil Betroffene sich gegen die teils sehr hohen, Kosten wehren. Und letztlich sehen sich GutachterIn und Betroffene vor Gericht wieder, wenn es um die Grundrechtverletzungen durch Verletzungen des Datenschutzes gehen. Die GutachterIn muss sich teilweise schon während des Verfahrens eine Anwaltes bedienen, die Angelegenheit kostet dann mehr Zeit und Geld.

Ein Gutachten wird von den RichterInnen bestellt, wenn die Eltern sich um das Sorgerecht, das Aufenthaltsbestimmungsrecht (wo soll das Kind leben) oder den Umgang streiten (Studie Hammer, Literatur: Norbert Blüm). Auch werden Gutachten erstellt, wenn die kommunale Jugendhilfe den Alleinstehenden oder den Eltern die Kinder entzogen haben (Grieger).

Herr Josef Salzgeber betreibt in München die Firma GWG – Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie und Partner, eingetragen im Partnerschaftsregister München, PR980. „Ableger “ und Bankverbindungen finden sich ganz Bayern wieder. Wendet sich ein Gericht mit der Bitte um Vorschlag einer GutachterIn an den Stammsitz in der Rablstraße in München, wird ein Partner in der Nähe gefunden, der die Bedürfnisse des Gerichtes deckt. Das Stammhaus erledigt dann auch die Abrechnung mit den Gerichten. Das Stammhaus erhält bis zu 40% des Gutachterhonorars. Es fungiert also als Factoring und Partneragentur. Laut Internet-Angabe werden Fort- u. Ausbildungen angeboten. Herr Salzgeber war bis 2018 Domaininhaber „Deutscher Familiengerichtstag“ und ist Publizist von Referenzliteratur. Dort findet man diverse Kernaussagen wie „Man muss auch neue Wege gehen, auch abseits der ZPO“ oder „Der Vorwurf, dass sich das vorliegende Gutachten nicht zu einer wissenschaftlichen Arbeit entwickelt hat, geht völlig fehl, da ein psychologisches Gutachten nie eine wissenschaftliche Arbeit sein kann.“

Herr Josef Salzgeber bedient einen Markt im Wert von etwa 2.000.000.000 Euro. Der Bund gab zur Qualität von Gutachten 2012-2016 zwei Studien in Auftrag. Die erste wurde nicht veröffentlicht, die zweite geht von einer 50% fachlichen Fehlerquote aus. Prof. Gresser ermittelte in einer Studie 2014, dass etwa 45% der PsychologInnen und PsychiaterInnen „Tendenzen-Signale“ der Auftraggeber (Gerichte) erhalten hätten. Die Teilnahme an Runden Tischen und Arbeitskreisen mit Jugendamt, GutachterInnen, Verfahrensbeistands-Vermittlungsstellen (AdK), UmgangsbegeleiterInnen und Führungsmitgliedern der Gerichte sichert die außergerichtliche Zusammenarbeit (Kooperation) und widerspruchsfreie Arbeit in den Verfahren.

Die GWG mit Herrn Josef Salzgeber steht seit 2008 offen in der Kritik und war Thema im Bayerischen Landtag. Offen wurde darüber diskutiert, warum Bayerische RichterInnen ausschließlich die GWG beauftragen. Es wurde vom Petitionsausschuss klargestellt, dass niemals der Eindruck der Kumpanei entstehen dürfe. „Stoppt die Allmacht der GWG“ und „RichterInnen sind die Marionetten der GWG“ stand auf Plakaten zahlreicher Protestanten bei Kundgebungen in den darauf folgenden Jahren. 2014 stellte das Forum „GWG-Gutachten.de“ den Betrieb ein. Die Pflege der GWG-kritischen Plattform erwies sich wegen der auf mehrerer Tausenden Betroffenen, aber auch Trollen, als nicht mehr qualitativ durchführbar. 

1986 ordnete das Bundesverfassungsgericht die informationelle Selbstbestimmung den Grundrechten zu, ein Eingriff verletze die Würde des Menschen, 2001 wies gleiches Gericht darauf hin, die Mitwirkung an einem Gutachten im Familienrecht stelle den Verlust der informationellen Selbstbestimmung dar und hätte deshalb freiwillig zu geschehen, prozessuale Nachteile wegen fehlender Mitwirkung haben deshalb nicht zu erfolgen. 2015 wurde die Verordnung der Europäischen Union zum Schutz der Menschrechte, der Teil EU VO 2016/679, in nationales Recht als Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) überführt. Nationale Gesetze wurde zur Wahrung eben dieses Grundrechtes angepasst.

Fachliche Kritik ist im wesentlich dadurch geprägt, dass die Gutachten seitenlang das Gesagte der TeilnehmerInnen wiedergeben werden, ohne nachvollziehbar eine wissenschaftliche Methode der Überprüfung der Glaubwürdigkeit anzuwenden. Das Gesagte kann wahr oder unwahr, richtig oder falsch sein. Eine (strafbewehrte oder zivilrechtliche) Verpflichtung zur Wahrheit gibt es nicht. Über weitere Seiten werden die Gespräche zusammengefasst und als Grundlage für Weiteres verwendet. Damit entstünden Tatsachen, die keine sind, aber im Kopf der EmpfängerIn ein Bild erzeugen. Damit wären u.a. GewohnheitslügnerInnen (auch pathologische) klar im Vorteil.

Test-Methoden-Kritik äußert sich vielfältiger: Der Anteil der metrischen Testungen (klare Auswertung nach Schablone oder Punktezahl) würden praktisch nicht oder nicht vollständig angewendet oder wären außerhalb der Klinik nicht erprobt. Ergebnisbögen nebst Auswerteanleitung würden den Gutachten nicht beiliegen, demnach wäre nichts für eine Fachkraft prüfbar – und so auch nicht für ein Gericht oder die Betroffenen. Projektive Tests unterlägen gleicher Einschränkung, würden nur „in Anlehnung“ durchgeführt ohne darzulegen, wie sich dann ein Ergebnis verändert oder warum der Test nicht nach den wissenschaftlichen (zugelassenen) Vorgaben durchgeführt wurde. Hier wäre dann die Auslegungen der Wahrnehmungen durch die GutachterInnen beliebig und anfällig für die Tendenzen-Signale.

Transparenz-Kritik wird in Bezug auf Überlassung der Tonaufzeichnung (Diktiergerät) oder dem Verweigern von Ton-und Bildaufzeichnungen geübt. Es ist für niemanden nachprüfbar, ob etwas -relevantes – Gesagt wurde oder nicht, weder Tonfall noch Gestik sei prüfbar. 

Kapital-Kritik erstreckt sich über den gemeinen Betrug bis hin zur Ausbeutung. Geben GutachterInnen an, 4 Stunden auf der Autobahn für 100 Kilometer benötigt zu haben weil Stau gewesen wäre, so erhalten sie den zeitlichen Aufwand erstattet – auch dann wenn eine Verkehrsdichtemessung einer staatlichen Stelle feststellt, dass normaler Verkehr herrschte. Vergleichbares für die Zeit zum Aktenstudium, zum beschreiben von Seiten (Abschreiben) u.v.m. oder Testungen, die zwar durchgeführt wurden, aber das Ergebnis nirgends Erwähnung finden. Der Vorwurf des bandenmäßigen Betruges darf dann aufkommen, wenn die minimalsten Merkmale einer Anwendung von Wissenschaft fehlen, es sich also gar nicht um ein Produkt „Gutachten“ handeln kann – aber trotzdem vergütet wird. Für eine RichterIn muss ein Schriftstück nur umfangreich und detailreich sein – und von einer GutachterIn stammen, damit es ein Gutachten ist. Der Vorwurf der Ausbeutung wird dann laut, wenn festgestellt wird, dass mit Beschluss des Gerichtes zu einem Gutachten das Kostenrisiko voll auf die Betroffenen eines Gerichtsverfahren übergehen und mit Billigung des Gerichts problemlos die 20.000 Euro Grenze knacken. Auch wenn man vor dem Beschluss klargestellt hat, das man nicht am Gutachten mitwirkt, trägt man regelmäßig die Hälfte und tappt in die Schuldenfalle.

Erpressungs-Kritik wird vor allem an den JuristInnen geübt. AnwältInnen und RichterInnen drängen die Betroffenen in die Begutachtung und stellen klar einen negativen Beschluss bei Nicht-Teilnahme in Aussicht. Es fehlt dann regelmäßig jeder Hinweis auf die Freiwilligkeit. Sollte man sich weigern, das Kind begutachten zu lassen, werde man das Sorgerecht (für die Dauer der Begutachtung) entziehen. Die Betroffenen werden offen als Querulanten und psychisch auffällig abgestempelt – auch von eigenen AnwältInnen.

Die Tätigkeit als GutachterIn muss eine Produktkritik aushalten. Auch öffentlich. Es wird tief in die Familie eingegriffen. Kleinste Unschärfen können fatale Folgen haben, nicht nur unzutreffende staatliche Entscheidungen sondern auch tiefe Furchen in der Psyche der Betroffenen. Manch eine(r) fühlt sich vergewaltigt, der Staat wird zur Bedrohung. Diese Furchen führen nicht selten zum Suicid oder eben zu (Verbal-) Attacken auf die GutachterInnen, dies gehört dann zum Lebensrisiko einer GutachterIn. Wird der Umtrieb der GutachterIn offensichtlich oder beweisbar, wird dies auch medial von ZDF, Süddeutscher Zeitung u.v.a. aufbereitet. 

Die GutachterIn muss nicht um ihr Einkommen fürchten, wenn sie  von Josef Salzgeber gemanaged wird und die GWG die Rechnungen an die Gerichte schreibt. Die Beschwerden ist einfach nur unbequem und ein störendes Grundrauschen der Tätigkeit. Die RichterIn will genau diese Leistung, verweist auf die jahrzehntelange erfolgreiche Zusammenarbeit und schließt eine Schlechtleistung allein deshalb schon aus. Sie wird die Vergütung veranlassen.

Anders ist es, wenn die GutachterIn selbst in öffentlicher Verhandlung vor das Zivil-Gericht gezerrt wird. Das kostet Geld und Zeit. Und lässt sich nicht über die Sachverständigenvergütung abrechnen. Complience bedeutet, alles zu unterlassen, was den Unternehmenserfolg schmälert.

Die GutachterIn vor Gericht

Die Würde des Menschen ist unantastbar – deshalb wurde die Datenschutz-Grundverordnung  in einem leicht verständlichen Text verfasst. Die DSGVO (EU-VO 2016/679) ist nicht auf Konzerne beschränkt, auch wenn es so medial aufbereitet wird. Jede staatliche Einrichtung, jede juristische oder natürliche Person, die die Daten anderer (gesprochenes Wort, Schriften etc.) verarbeitet, unterfällt der DS-GVO.

Der Eingriff in ein Grundrecht bedarf eines Gesetzes (Befugnis) durch das Parlament. Dies betrifft alle Verarbeitungsschritte, also von der Information (Wie werden die Daten verwendet und zu welchem Zweck), Erhebung (Zusendung, Zuhören, Ermittlung bei Dritten), der Auswertung (wissenschaftlich, unwissenschaftlich durch Meinung), der Speicherung (Lagerung, Sammeln, „im Kopf“) bis zur Übermittlung (Ausreichung, persönlicher Vortrag) u.v.m.

Der Gesetzgeber hat für die GutachterIn kein Gesetz erlassen, dass sie von den Regelungen der DS-GVO ausnimmt – also erlaubt der Gesetzgeber keine Eingriffe in die Würde des Menschen. Wird die DS-GVO nicht vollumfänglich umgesetzt steht den Betroffenen Schadenersatz und Schmerzensgeld von der GutachterIn zu. Bei diesem Verfahren steht die GutachterIn nicht unter dem Schutz der FamilienrichterIn, es ist ein ganz normales Verfahren vor einem Amts-/Land-/Oberlandesgericht. Die KlägerIn bedienen sich einem Sachverständigen für den Datenschutz.

Zu den Grundpflichten der GutachterIn gehört die Information. Sie muss den betroffenen Elternteil und das Kind (ja, auch dies ist ein Grundrechteträger) über folgendes aufklären:

Alles was gesagt wird oder sonst wie der GutachterIn zur Kenntnis kommt, z.B. aus Parteischreiben (von AnwältInnen) in Gerichtsakten, kann allen offenbart werden. Es wird nach Regeln, die nicht bekannt gegeben werden, bewertet. Was wahr oder unwahr ist, entscheidet die GutachterIn nach eigener Vorstellung. Ein Recht auf Berichtigung besteht nicht, auch nicht auf Löschung unrichtiger Angeben von Dritten, Vierten und Fünften. Der Datenerhebung bei Dritten und Vierten und Fünften ohne Wissen (und Zustimmung) kann nicht widersprochen werden, auch nicht der Offenbarung von Geheimnissen, die die Betroffenen Dritten als Geheimnis anvertraut haben. Die Beschreibung der Aussagekraft und Anwendungsbedingungen der Testverfahren, auch nicht die Bewertungsvorgaben und das Ergebnis, werden weder vor noch nach Offenbarung an das Gericht, offengelegt. Die GutachterIn wird Dritten mitteilen, wie sich die BetroffeneN fühlen, was sie denken, und unter was sie leiden. Audio-Visuelle Aufzeichnungen werden nicht durchgeführt. Die Anwendung von wissenschaftlicher Arbeitsweise wird nicht zugesichert. Man sei PsychologIn und keine PaedagogIn. 

Haben die Betroffenen mindestens nach dieser Information in die Datenverarbeitung eingewilligt, muss man in Bezug auf volljährige Betroffene zunächst nichts bei einem Gericht befürchten. Es wird schwierig sein, den Nachweis zu erbringen, dass man zur Teilnahme durch die Tatsache, dass das Kind auf einmal weg war (anderer Elternteil, Kinderheim) zur Teilnahme genötigt war und dies durch die eigene AnwältIn oder RichterIn zur Bedingung gemacht wurde und dies der GutachterIn bekannt war. Damit hat man die erste Hürde zur Complience geschafft, die Kosten des Verfahrens gehen zu Lasten des Klägers.

Die zweite Hürde bedarf der Mitarbeit der RichterIn. Das minderjährige Kind muss die Information ebenfalls erhalten und es muss sichergestellt sein, dass es auch die Folgen überblicken kann (Reife des Kindes) und erst dann aktiv eingewilligt hat – aber auch „Nein“ sagen kann / konnte. Die Eltern oder das Gericht können das Grundrecht des Kindes nicht aufheben (fehlende Dispositionsbefugnis), es handelt sich nicht um einen medizinischen Notfall. Damit der streitbare Elternteil also niemals für das Kind vor Gericht als natürlicher und gesetzlicher Vertreter die Verletzung der Grundrechte angehen kann, müssen Sie als GutachterIn sicherstellen, dass dieser Elternteil nie das Sorgerecht behält oder erhält.

Mit der Information hat die GutachterIn die Betroffenen über den Verzicht auf die Grundrechte (Würde des Menschen u.a. Persönlichkeitsrechte) und Grundsätzen der Datenverarbeitung aus Artikel 5,6 und 9, 13, 15 u.v.a. aufgeklärt und kommt in diesem Punkt der Forderung vollumfänglich nach, das Unternehmen, die einzelne Unternehmung betriebssicher zu führen. Damit ist gewährleistet, dass das eigene Handeln nicht zur Minderung der eigenen, und der der anderen, Steuerlast und Unternehmensgewinn der Kooperationspartner (Vertragspartner) führt. Die Durchführung der Begutachtung kann reibungslos erfolgen und fristgemäß erledigt werden.

Die wahrheitsmäßige Information ist nur ein Punkt auf dem Weg zur tatsächlichen Unangreifbarkeit aus der Sicht des aktiven Datenschutzes. Möglicherweise führt eine vollständige und absolute Umsetzung der Schutz der Grundrechte (DS-GVO) zu einem massiven Umsatzeinbruch des Herrn Salzgebers, weil die Gerichte dann nur noch im Ausnahmefall ein Gutachten bestellen können. Die Verfahrensordnung FamFG sieht für das Familiengericht in dem Verfahrensverlauf kein Eingriff in die Grundrechte der Eltern und Kinder vor. Die möglichen Eingriffe in das Elternrecht regelt das BGB und betrifft den Beschluss, nicht die Verfahrensführung.

Zu den Umsatzzahlen gibt es unterschiedliche Betrachtungsweisen und Rechenarten:

Dr. Wolfgang Hammer 4/2022: Familienrecht in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, Seite 29
Grieger:  Fallbeispiele „Skandale, Wucher, Ungereimtheiten“ YouTube Suzanne Grieger, Profilerin

Norbert Blüm „Einspruch! Wider der Willkür an deutschen Gerichten“, Piper 2015
Klappe: „Gerade vor Familiengerichten wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Norbert Blüms erste Vermutung, es handele sich um Einzelfälle, bestätigte sich bei genauerer Recherche nicht. Vielmehr ist von einem System auszugehen…“


cS 3/2021