Judas wird zu Verfahrensbeistand §158b FamFG

Die Neufassung 2025 des §158b FamFG liefert gesellschaftlichen Sprengstoff. Nie wird die Distanz zwischen Basispolitik und kommunaler Verwaltung zur Bundespolitik in Bezug auf das Bild der Familie größer werden. Denn die streitende Familie erhält einen zusätzliches Familienmitglied, nämlich einen dritten Elternteil. Das Elternteil heißt Verfahrensbeistand. Dies bedeutet auch eine neue Herausforderung für Kommunalpolitik und Vereine.

Familie im Streit um Umgang, Aufenthaltsbestimmungsrecht oder Sorgerecht allgemein ist eine ganz spezielle Dynamik in der Familie. Ein Elternteil ist in der Regel schon ausgegrenzt und für die Kinder nicht mehr in diesem Umfang und Selbstverständlichkeit verfügbar. Jedes Familienmitglied hat seine individuelle Sicht der Dinge, seine eigenen Geheimnisse, Nöte und Ängste. Sie teilen es nur mit eng vertrauten Personen, in der Hoffnung, Rat und Stütze zu erhalten. Je weiter der Gesprächspartner sich vom Familienkern entfernt, desto geringer wird die Brisanz der Nöte, Ängste und ähnliches. Im Kopf ist automatisch: Wie kann sich das, was ich dem anderen sage auf mich und meine Familie auswirken? Kann er mir helfen oder einfach nur zuhören. Um also an die wahren Gedanken der Familienmitglieder heranzukommen, muss man sich deren Vertrauen erarbeiten.

Gewohnheitslügner haben damit kein Problem. Sie gaukeln Vertraulichkeit und echtes Interesse vor, präsentieren auch ab und zu Häppchen aus dem Leben des Anderen, was es im Vertrauen erfahren hat. Kinder sind natürlich ein leichtes Opfer, wenn Mama oder Papa oder Geschwister nicht in der Gegend sind.

Eltern sprechen auch im täglichen Kontext mit Vereinen, Kindergarten oder Lehrkräften, hinterlassen dort einen Eindruck und die ein oder andere Information. Sie gehen mehr oder weniger offen mit diesem Personal um, je nach persönlicher Erfahrung, Persönlichkeit oder Abhängigkeit.

Der Verfahrensbeistand möchte all dies erfahren. Er ist bestellt worden, Gespräche zu führen und eine Stellungnahme abzugeben. Um an die wahren Gedanken der Familienmitglieder zu kommen, muss er ihnen Vertraulichkeit vorgaukeln.

Der Gesetzgeber gibt dem Gericht die Möglichkeit, diese Leistung zum Preis von 690 Euro zu bestellen. Das Gericht kann nicht beeinflussen, was der Verfahrensbeistand in seiner Stellungnahme aufnimmt. Dem Verfahrensbeistand sind keine Grenzen gesetzt.

Wenn die Eltern im Streit als letzten Ausweg nur das Familiengericht sehen, steht natürlich das Gewinnen im Vordergrund, die Not und damit der absolute Wille, das Gericht von der eigenen Ansicht zu überzeugen. Auch hier sind Gewohnheitslügner unter den Elternteilen, sei es pathologisch oder berufsbedingt, klar im Vorteil. Und so werden sie gezielt oder unbewusst alles daran setzten, den Verfahrensbeistand zu täuschen. Und natürlich alle Informationsquellen des Verfahrensbeistandes.

Der Verfahrensbeistand schreibt in völliger Freiheit seine Meinung und Inhalte des gehörten nieder und gibt es bei Gericht ab. No Limits. Das ist die Erwartungshaltung.

Ist das Verfahren beendet, ist er aus der Elternschaft verbannt und erhält seinen Judaslohn.

Der Schaden für die Kommunen wird nicht kleiner. Die Skepsis gegenüber Kindergarten und Schule wird zunehmen, letztere ist mit der Einführung der Schulsozialarbeiter bereits sehr ausgeprägt. Die Bereitschaft, niederschwellige Unterstützung anzunehmen wird weiter sinken. Alleinstehend Erziehende werden sich weiter zurückziehen und nur in ärgster Not Unterstützung in Anspruch nehmen. Also lieber nicht arbeiten um besser auf die Kinder aufpassen zu können. Denn Überlastung ist ein Angriffspunkt, ein vulnerabler Punkt.

Auch Sportvereine und andere gesellschaftliche Gruppen werden sich auf die Veränderungen in Bezug auf den Verfahrensbeistand einstellen müssen. Denn auch sie sind bereits jetzt Zielgruppe der Informationsbeschaffung. Eigentlich sind eben diese Orte der Platz für Kinder, um den Kopf frei zu bekommen, wo sie aufgefangen werden. Doch was macht die Dame da neben dem Trainer am Spielfeldrand? Warum spricht der Mann, der gestern bei uns wahr, mit dem Kapellmeister?

Er macht seinen Job. Das Gericht hat es bei ihm bestellt. Macht er den Job nicht wie angefordert, bestellt ihn das Gericht nicht mehr.

Damit bleibt es an der Kommunalpolitik, alle zu sensibilisieren. Keiner darf oder muss mit dem Verfahrensbeistand sprechen. Jeder lebt von dem Vertrauen, das ihm Eltern und Kinder entgegenbringen. Bricht man das Vertrauen, ist das Mitglied weg und man gilt als geschwätzig.

Judas überlebte. Zu den Gefahren für den Verfahrensbeistand folgt ein gesonderter Artikel.

bs 2/2025